Autonomie – wie geht das?
Am 20. Oktober 2023 fand das IMABE-Symposium „Der selbstbestimmte Patient“, im Raiffeisenhaus Wien, statt. IMABE steht für „Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik“. IMABE wurde 1988 als unabhängige wissenschaftliche Einrichtung in Wien gegründet.
Am 20. Oktober wurden Themen „Autonomie“, „Selbstbestimmung“, „Fürsorge“, „Caring“ usw., aus unterschiedlichen Perspektiven, beleuchtet.
Ich möchte hier zwei inspirierende Beiträge hervorheben und zusammenfassen.
Univ.-Prof. Dr. med. Giovanni Maio
(Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
Einleitend sprach Univ.-Prof. Dr. med. Giovanni Maio über die Autonomie der Patient:innen, im Angesicht ihrer Verletzlichkeit. Zusammenfassend hat er die Selbstbestimmung und Autonomie über die Begriffe, z.B. Potenzial, Anerkennung, Befähigung, Herausforderung und Verletzlichkeit beschrieben. So sprach er darüber, dass Selbstbestimmung immer in Beziehung mit der Umgebung steht. So muss sie als eine Ressource und als Potenzial gesehen werden. Wir werden nicht als selbstbestimmte, autonome und unabhängige Personen geboren. Wir sind auf die Anerkennung und Unterstützung unsere Umgebung angewiesen, damit wir das Potenzial entfalten können, selbstbestimmt und autonom zu agieren. Ebenso hob er hervor, dass Patient:innen oft mit überfordernden Situationen konfrontiert werden, die sie verletzlich und wieder mehr auf die Unterstützung ihrer Umgebung angewiesen, machen lassen. So soll die Selbstbestimmung auch als eine Herausforderung gesehen werden, da dafür einiges an Wissen, Erfahrung und Reflexionsfähigkeit benötigt wird.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Hanna Mayer
(Leiterin Fachbereich Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Person-Centred Care Research, Karl Landsteiner Universität Krems)
Univ.-Prof. Mag. Dr. Hanna Mayer sprach über die Pflege im Spannungsfeld zwischen Achtung der Autonomie und fürsorglichem Handeln. Sie definierte den Begriff „Pflege“, auf Florence Nightingel zurückgehend, als eine „Caring“ Disziplin und hob dabei hervor, wie wichtig die Interaktion und Beziehung im Pflegeprozess ist. Laut Mayer können keine Pflegediagnosen, ohne die Beziehung zwischen Patient:innen und Pflegepersonen, gestellt werden. Pflegerisches Handeln wird in und durch die professionelle Beziehung erst wirksam. Ebenso betonte sie, dass Haltung, Fachwissen, Wissen um die individuelle Situation, hermeneutische Kompetenz sowie die Art der Begegnung, die Wirkung der Pflegehandlungen beeinflussen. Frau Univ.-Prof. Mayer sieht die Fürsorge im Sinne professioneller Pflege nicht als Widerspruch zur Autonomie der Patiet:innen, sondern als eine notwendige Grundlage, damit diese in Situationen der erhöhter Vulnerabilität, wieder erlangt werden kann. Abschließend sprach sie darüber, wie wichtig die Personenzentrierung als Konzept in der Gesundheitsversorgung ist. Personenzentrierung sei nicht nur auf der Ebene der Patient:innen wichtig, sondern benötigt die Ebene „Beschäftigte im Gesundheitswesen“ ebenso eine personenzentrierte Betrachtung und Bearbeitung der Anliegen und Themen. Hier sind aktuell, laut Mayer, die Systeme stark gefragt, Aktionen zu setzen. So wie für die Praxisentwicklung im Gesundheitswesen charakteristisch, sollten immer alle Ebenen mitbedacht und Praktiker:innen stärker partizipiert werden.
Mein Fazit:
- Selbstbestimmung und Autonomie setzt die Fähigkeit voraus, Entscheidungen möglichst aufgeklärt und rational treffen zu können?
- Selbstbestimmung ist stark von unserer Umgebung abhängig, ihre Unterstützung und Anerkennung ist notwendig, damit wir uns das zutrauen und dafür befähigt werden können
- keine Autonomie ohne Gemeinschaft und Sorge, die das ermöglicht
- Autonomie und Selbstbestimmung kann, bei erhöhter Vulnerabilität, Überförderung verursachen
- Gesundheitsberufe können bei der Stärkung der Selbstbestimmung und Autonomie unterstützen
- Wenn bei den Patient:innen/Bewohner:innen/Klient:innen, die Möglichkeit der Autonomie und Selbstbestimmung nicht ausreichend vorhanden ist, können Gesundheitsberufe dies kompensieren, in dem sie die „Advokat:innen-Rolle“ einnehmen